Der Berichterstatter

November 2015

Als der neue Berichterstatter zu Besuch auf der Farm.

Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt, manchmal weiß man nur nicht, dass man ihn getan hat. In grauer Vorzeit, als Handys noch die Größe von Backsteinen hatten und sich dieses Internet erst noch durchsetzen musste und tatsächlich Neuland war, besuchte ich mit meinem besten Kumpel ein paar gute Bekannte von ihm auf dem Bikefestival in Winterberg. Auch wenn man die Vorstellungskraft arg anstrengen muss: Torsten Rödl war da noch jung und unter anderem Ziel unserer Reise. So kreuzte sich mein Weg mit seinem das erste Mal.

2014 hatte mir gerade ein neues 29er Hardtail zugelegt und war auch recht zufrieden damit. Torsten hatte ich zwischenzeitlich wiedergetroffen und wir fahren seitdem häufig gemeinsam unsere Hometrails. Unter ihm arbeitete dabei treu und zuverlässig, ohne hydrogeformte Rohre und mit klaren Linien sein Nicolai ION 15 in giftgrün mit golden eloxierten Komponenten. Ich weiß noch, wie bei mir der Neid einsetzte und ich am gleichen Abend bei eBay stöberte, was man denn für so ein Fahrzeug zu investieren hätte. Dort beging ich dann einen Fehler, der mittlerweile ein Running Gag zwischen uns geworden ist: Ich habe nicht auf Torsten gehört.

Torsten hat eh immer Recht, wie ich seitdem ständig neu erfahre; weil ich ja unbelehrbar bin, nichts dazu lerne und dann noch die Hälfte vergesse. Jedenfalls erstand ich mir ein Nicolai Ufo DS aus 2003. Ein geiler Rahmen, nur leider schon ein wenig von der Zeit überholt und mit seiner 4X-Geometrie erstens kein „richtiges“ Fully und zweitens war ich der wahrscheinlich einzige Depp, der ein Ufo DS (aus purem Trotz, weil ich Torsten nicht Recht geben wollte) mit 1×8 Antrieb als Enduro im Teutoburger Wald verwendet hat.

Nichtsdestotrotz war meine Liebe zu Nicolai geweckt. Torsten führte mich dann eines Tages mit Thomas von der Brüggen zusammen, „um mir endlich mal ein vernünftiges Rad“ zu besorgen. Als Fallschirmjägeroffizier hatte ich bei Thomas einen Stein im Brett und eine Geistesbruderschaft hinsichtlich der alten Tugenden, wie Leistungswillen, Wahrhaftigkeit und dem Mut zum klaren Wort war schnell entdeckt. Natürlich ging der Tag unter anderem auch damit zu Ende, dass ich ein BikeBauer-Nicolai von Thomas erstand.

2015 Haben mein Kumpel und ich dann diverse Male Torsten, Thomas und das restliche BikeBauer-Team auf Rennen und Festivals besucht und die familiäre Atmosphäre im Team war uns von Anfang an sympathisch. Ratingen und Thomas´ Hausrunde stand ebenfalls öfter auf dem Plan. Seine Begeisterung für seine Räder und den Sport zog mich dabei genauso zum BikeBauer, wie das tolle und abwechslungsreiche Terrain und nicht zuletzt natürlich die Herzlichkeit mit der ich jedes Mal von ihm und seiner Frau begrüßt, bekocht und versorgt wurde.

Im Gegenzug für die ganzen Testrunden fragte mich Thomas, ob ich Lust hätte und mir nicht zutrauen würde, mal einen oder zwei Texte für seine Homepage zu schreiben. Aus einem oder zwei sind mittlerweile ein paar mehr geworden und offensichtlich finden sie auch Anklang, was mich persönlich sehr freut. Zum einen bringen sie damit offensichtlich die Stimmung gut rüber und zum anderen kann ich Thomas damit für seine Hilfsbereitschaft, seine Mühen und natürlich auch für seine Freundschaft danken.

Als es klar wurde, dass er Chef des neuen Nicolai-BikeBauer-Teams würde, fragte er mich, ob ich das alles nicht als Teammitglied machen wolle. Gewünscht hatte ich es mir schon lange, nur nie kommuniziert. Ich wollte Leistung bringen und überzeugen, anstatt Bittsteller zu sein. So ergab sich dann vor kurzem mit dem besten Vertrag der Welt die Aufnahme ins Team: per Handschlag.

Nun fungiere ich für euch als Nicolai-BikeBauer-Berichterstatter. Letzten Freitag ging es quasi als erste Amtshandlung zur Räderschmiede nach Lübbrechtsen, da ich unbedingt mal sehen wollte, wo die Bikes geboren werden und um ein paar Antworten zu finden:
Warum fahren wir Nicolai? Warum geben manche so viel mehr Geld aus für ein Bike? Und wieso würden die Fahrer nie wieder etwas anderes wollen? Was macht Nicolai Bikes so besonders?

Ein verschlafenes Dorf südlich von Hannover, eingebettet in Felder, Wiesen und Wälder, im Osten und Westen erheben sich Höhenzüge. Eine Straße schlängelt sich durch das Dorf und kurz vor Ende führt links eine Hofauffahrt zum Firmengelände.

Nicolai ist keine Marke wie andere. Das spürt man irgendwie, aber woher kommt dieses Gefühl? Es hat nichts damit zu tun, dass sie in Deutschland fertigen. Auch die Fertigung per Hand ist nicht der Grund. Die strengen Qualitätsmaßstäbe, das mehrfache Richten, die perfekt gezogenen Schweißnähte, all das sind keine Gründe, wieso man von Nicolais begeistert ist. Auch die lange Haltbarkeit, Robustheit oder Ästhetik der Bikes spielt hier keine Rolle. Das sind alles Argumente für ein Nicolai, aber nicht der Grund, warum sie besonders sind.

Ich schlendere über den Hof und treffe, wie so oft in letzter Zeit, den Chef des Nicolai-BikeBauer-Teams, Thomas von der Brüggen. Er ist im Gespräch mit Daniel Jahn. Es geht um Trikotfarben, Rahmengrößen, neue Experimente mit Geometrons und generell wie immer um alles, was mit Nicolais zu tun hat. Marcel, Henning und Hendrik kommen ab und zu vorbei, steigen mit ins Gespräch ein und gehen danach wieder ihrer Wege. Inzwischen kommt eine kleine Gruppe an, die Probefahrten machen wollen und sich eine Besichtigung durch die Hallen, geführt von Moritz, gönnen. Es geht durch den alten Stall, in dem die CNC-Fräsen ihren Dienst unter der Aufsicht von Stephan und Markus verrichten und Einzelteile wie zum Beispiel Umlenkhebel aus massiven Alublöcken entstehen lassen. Kurz dahinter ist der Werktisch für die Gehrungsschnitte, der momentan von Kai und Christian verlassen liegt und wo in Schubladen schon die nächsten Rohre darauf warten, miteinander verbunden zu werden. Christian und Ngyyuen sind noch dabei, den CNC-Fräsen neues Futter zu besorgen und wuchten mehrere 6m-Alustangen auf die Bandsäge. Es wimmelt vor Details, aber eines sticht mir besonders ins Auge: die Nicolai-Adresse auf einem CNC-Auftrag: Nicolai GmbH, Külftalstraße 18, 31093 Lübbrechtsen, Germany, Earth. Hier wird eben an alles gedacht.

Im Übergang zum Haupthaus sind zwei weitere Ecken den beiden Schweißern Thorsten und Sascha vorbehalten. Unter ihren erfahrenen und ruhigen Händen legt sich eine Schweißraupe an die nächste und überall merkt man die lange Erfahrung und die Liebe, die sich in jedem Arbeitsschritt an den Werkstücken abzeichnet. Ich schaue mir beeindruckt ein Hollow Weld Technology Teil von Sascha an, was demnächst seinen Dienst an einem Argon FAT verrichten wird. Wer weiß, wie schwer Alu zu schweißen ist, der erkennt hier die Besonderheit der präzisen Handarbeit in jedem Arbeitsschritt.

Mir wird klar: Nicolai ist kein Hersteller. Das macht sie besonders. Nicolai als Gemeinschaft von Enthusiasten ist dem Ansporn seines Schöpfers Kalle Nicolai treu geblieben: Wir wollen die besten MTB-Rahmen der Welt bauen. Wir probieren Sachen aus, lassen uns aber von niemandem beirren; folgen nicht sinnlos jedem Trend, sondern nur den Ideen, von denen wir uns versprechen noch näher an den perfekten Bikerahmen zu kommen. Wir folgen keinen Neuheiten, sondern nur Innovationen. Deswegen hat Nicolai auch keine „Belegschaft“ oder Angestellte“; deswegen ist es ein Team, eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten, die sich alle dem gleichen Ziel gewidmet haben.

Vom Richtraum, den alle Teile, genau wie den Ofen, mehrfach besuchen, um Verspannungen vom Schweißen zu korrigieren geht es zu Daniels und Helges Arbeitsplätzen. Erst zum Glasperlenstrahlen und danach zur Pulverbeschichtung. Hier wird auch dem Laien schnell klar, dass alle wissen, wovon sie reden und was sie tun. Egal, wo sie das unter dem alten Dach des Bauernhauses tun. Tricks und Kniffe, entstanden aus Erfahrung und Experimentiergeist vervollkommnen die sach- und fachgerechten Arbeiten.

In den Zwischenfluren und diversen kleinen Räumen finden sich Apothekerschränke, Schubladen, Regale in denen die Einzelteile darauf warten, sich von Claus und Marc an ihren Bestimmungsort in der Montage bringen zu lassen. Hat dann schließlich unter ihren Händen ein neues Nicolai-Rad das Licht der Welt erblickt, macht es manchmal noch einen Abstecher zu Volker, der gegebenfalls letzte Richt- und Zentrierarbeiten durchführt und ansonsten den verwundeten Bikes von Kunden nach einem Sturz wieder zur Gesundheit verhilft.

In der Büroetage auf dem Dachboden sind derweil Franzi, Marcel und Vincent dabei, einerseits die eingehenden Bestellungen zu organisieren und sich anderseits natürlich beständig Gedanken über Modellpalette, Neukreationen und Weiterentwicklung Gedanken zu machen. In der Zwischenzeit schlendert uns Kalle Nicolai auf dem Flur entgegen. Man sieht ihm an, dass ihn das geschäftige Wuseln freut und er sich als Chef auf seine starke Mannschaft, sein Team, verlassen kann.

Deswegen ist Nicolai kein Hersteller. Deswegen entstehen bei Nicolai keine Rahmen, um sich eine Marktnische zu erschließen, sondern um in den Rahmen Ideen und Ziele zu verwirklichen. Diese Ideen und Ziele werden zu einem Rahmen verschweißt. Rohre, Lagerschalen, Kabelführungen, Fräs- und Drehmaschinen, Richtbänke und Öfen sind nur die notwendigen Mittel. Mit bestmöglicher Präzision und bestmöglichen Materialien. Eben um die Idee zu realisieren. Und nicht um nur ein Fahrrad zu bauen.

Und um einer Idee Leben einzuhauchen, muss man kein Marktführer sein. Man muss nicht einmal der größte sein. Man braucht nur ein Team mit einem gemeinsamen Ziel. Und wenn das Ziel das beste Bike am Markt ist, dann kommt der Rest von alleine. Und das spürt man mit jedem Tritt in die Pedale, jeder Bodenwelle, jedem Schweißtropfen und sogar jedem Sturz. Nicolai ist keine Marke, sondern ein Versprechen: Jeder bekommt, was er sich wünscht. Nicht weniger.

Gruß

Norman